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Aussendezeitpunkt: Di, 30.11.99, 21:41 *
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Prinzipielles:

> "Man kann ja ueber alles reden..."

Eine Warnung vor dem "Dialog"

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"Dialog" - so heiszt eine auf "modern" gemotzte Kirchenzeitung,
die zwar genauso autoritaer ist wie alles andere was von der
Kirche kommt, aber einen moderaten Tonfall und vor allem ein
LayOut hat, das als "zukunftsfaehig" verstanden wird.

Das ist kein Zufall. Denn der "Dialog" gehoert zum Arsenal der
Macht und ist nichts anderes als die moderne Form des guten alten
"Teile und herrsche!" Ob jetzt die Industristaaten sich im "Nord-
Sued-Dialog" mit den Entwicklungslaendern befinden, der
oesterreichische Wirtschaftsminister mit Umweltschutzgruppen einen
"Dialog" ueber das Verbot gentechnisch veraenderter Nahrungsmittel
fuehrt -- und im EU-Rat davon nichts zu merken ist -- oder die
marokkanische Regierung mit den Sahauris einen "Dialog" fuehrt --
und waehrenddessen ihre Siedlungspolitik vorantreibt --, immer
dient diese Form der Unterhaltung der Hinhaltung der Kontrahenten.
Neuestes Beispiel dafuer ist ein Papier der EU zur gestern
begonnen "Milleniumsrunde" der WTO: Waehrend in fast allen
Bereichen beinharte Codifizierungen der weiteren Liberalisierung
des Welthandels eingefordert werden, heiszt es im Zusammenhang mit
arbeitsrechtlichen Bestimmungen: "Die WTO sollte sich in
Zusammenarbeit mit anderen maszgeblichen internationalen
Organisationen fuer Masznahmen zugunsten der Wahrung der
Grundrechte der Arbeitnehmer einsetzen. Zu diesem Zweck sollte die
EU einen staendigen Dialog mit den Partnern innerhalb der WTO und
der IAO [d.i. die ILO, Internationale Arbeitsorganisation; red.]
sowie der Buergergesellschaft fuehren, um Ansaetze zu entwickeln
und zu vereinbaren, die den Interessen der Betroffenen am besten
dienen." Es solle damit "ein besseres Verstaendnis fuer diese
Themen gefoerdert" werden. Als ob sie nicht wueszten, was die
Gewerkschaften fuer Probleme mit der "Globalisierung" haetten!

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Obrigkeiten haben gelernt, dasz sie in unseren Zeiten nicht mehr
mit ihrer allumfassenden Weisheit auftrumpfen koennen. Stattdessen
ist Demokratisierung ein immer wieder eingefordertes Gut, das ohne
Gesichtsverlust bei der "oeffentlichen Meinung" einfach nicht mehr
ignoriert werden kann. Was macht man also? Man lanciert einen
"Dialog". "Dialog" ist, wenn man jemanden ignorieren will, aber
mit ihm reden musz. Denn da gibt es Leute, die einem
Schwierigkeiten machen koennen. Man hat zwar seine eigenen
Interessen und will sie durchsetzen, aber man tut nicht mehr auf
allwissend, sondern markiert das Gegenteil: Unwissenheit!

Dadurch signalisiert man dem Gegenueber, dasz man sich ob der
eigenen Fehlbarkeit bewuszt ist und dasz man sich bislang nur
deswegen so beschissen aufgefuehrt hat, weil man von den Problemen
anderer nichts gewuszt hat.

Man fuehrt also diesen "Dialog" mit Kritikern und erfaehrt von
denen, was man alles falsch gemacht habe. Nicht, dasz man das
alles nicht schon vorher gewuszt haette, aber es gibt immer wieder
Menschen aus NGOs und Lobbygruppen, die sich dadurch ernstgenommen
fuehlen. Man kommt sich auf der menschlichen Ebene naeher
und schwupps, kann man die Scheisze, die man bisher verzapft hat
um einiges weniger kritisiert weiter produzieren. Die Kritiker der
eigenen Politik mundtotzumachen musz man dann naemlich nicht mehr
selbst erledigen, sondern es wird zu Aufgabe der "Dialogpartner".
Wenn naemlich skeptische Menschen aufstehen und sagen:
"Tschuldigung, aber ihr koennt doch nicht so tun, als haetten
diese Machtmenschen ploetzlich ihre Interessen vergessen, nur weil
die jetzt Kreide gefressen haben!" dann gibt es sicher fuehrende
Persoenlichkeiten in den NGOs, die den Skeptiker zwar zugestehen,
dasz sie ja irgendwie und irgendwo natuerlich schon recht haetten,
aber man wolle jetzt keine Kampagnen starten, "um den Dialog nicht
zu gefaehrden" noch dazu, wo dieser gerade jetzt so "fruchtbar"
erscheint.

Dasz das Sein das Bewusztsein bestimmt, wuszte schon Marx. Heute
verwenden Kapital und Obrigkeit den Satz im Judoverfahren an. Sie
tun so, als wueszten sie aufgrund ihrer Position nicht um die
Noete anderer Bescheid und bitten daher die diversen NGOs darum,
ihnen doch die Situation aus ihrer Sicht zu schildern. Die tun das
auch recht freudig, happy darueber, endlich einmal nicht links
liegen gelassen zu werden, und die hohen Herren beziehen dann
diese guten Ratschlaege und Einwaende in ihre Entscheidungen mit
ein. Die Entscheidungen schauen zwar genauso aus, wie sie ohne
diese Einbeziehungen ausgesehen haetten. Aber dafuer sind ein paar
Kritiker gluecklich; gluecklich eingelullt und ausgeschaltet.
Denn man hat ja einen "Dialog" gefuehrt, was will man denn noch
mehr!

"Mit den Begriffen Toleranz und Intoleranz bezeichnen wir
Verhaeltnisse zwischen Ungleichrangigen. Ist aber von
Gleichrangigen die Rede, zumindest der Absicht nach, so haben wir
moeglicherweise mit Dialogen zu tun zu tun, mit etwas, das sich
zwischen Menschen abspielt, die auf derselben Ebene stehen."
(Franz M. Wimmer; IWK-Mitteilungen 1/1999) Da liegt der Hund
begraben: Im Unterschied zwischen Dialog und "Dialog"! Genau
deswegen sprechen maechtige Institutionen von "Dialog", wenn sie
ihre Gespraeche mit Gruppen, die ihnen zwar Schwierigkeiten machen
koennten, aber doch am kuerzeren Ast sitzen, meinen: Damit eben
diese sich als gleichrangig akzeptiert fuehlen. Und es ist auch
kein Wunder, dasz dieser Begriff von den so Erhobenen begierig
aufgegriffen wird -- denn wer will sich schon dieses
Adelspraedikats selbst berauben. Hier reicht dann der Schein als
Ersatz fuer das Sein voellig aus -- die Folgen fuer das Bewuszt-
sein sind fatal.

*

"Durchs Reden kommen d' Leut zsam" heiszt es so schoen bei uns.
Sicher! Aber oft kommen die einen Leute von einem Machtblock und
suchen einfach ein Mittel, um kritische andere Leute -- die nur
ueber die "oeffentliche Meinung" Druck ausueben koennen -- davon
abzuhalten, gegen sie zu agitieren. Es ist daher wohl die
Ueberlegung wert, ob es manchmal nicht besser waere, mit
bestimmten Leuten nicht zusammenzukommen.
*Bernhard Redl*


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